KI-Aufholjagd der EU mit dem AI Continent Action Plan

Mit dem AI Continent Action Plan setzt die EU auf Förderung statt Regulierung, um zu den führenden KI-Nationen USA und China aufzuschließen. Kann dieses ehrgeizige Ziel gelingen?

Die Künstliche Intelligenz (KI) als Zukunftsgestalter auf Unternehmens-, nationaler wie supranationaler Ebene, aber auch als ziemlich bester Freund für den persönlichen Gebrauch: Unter diesem Themenschwerpunkt werden wir mit dieser Artikelserie Innovations- und Disruptionspotenziale in den von uns bedienten Branchen untersuchen. Es werden Leuchtturmprojekte bei PASS vorgestellt sowie die Wirkung des regulatorischen Rahmens als Treiber oder hemmendem Faktor bewertet. Hinzu kommt die Betrachtung kritischer Erfolgsfaktoren im Standortwettbewerb und Einschätzungen von Opinion Leadern.

Im heutigen, ersten Blogbeitrag starten wir mit den Initiativen der EU, deren Ziel es ist, gewaltigen Rückstand auf die KI-führenden Nationen USA und China aufzuholen, indem insbesondere das KI-Ökosystem für Unternehmen in unserem Wirtschaftsraum deutlich verbessert werden soll. Im darauffolgenden zweiten Beitrag werden wir beleuchten, welche Bemühungen auf nationaler Ebene in den beiden bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Staaten der EU – Deutschland und Frankreich – unternommen werden und warum ausländische Investitionen in der KI derzeit vorwiegend in Frankreich erfolgen und Deutschland bislang häufig außen vor bleibt. Weitere Beiträge sind vordisponiert, zugleich werden wir bei Bedarf auch auf aktuelle Ereignisse und Entwicklungen eingehen.

In den vergangenen beiden Jahren konzentrierte die EU-Kommission ihre Aktivitäten rund um das Thema KI vor allem auf den vieldiskutierten AI Act. Mit dem Anfang April 2025 vorgestellten AI Continent Action Plan rückt sie neben regulatorischen Aspekten nun auch die Wettbewerbs- und Konkurrenzfähigkeit in den Fokus. Die EU möchte den Rückstand zu den führenden KI-Nationen aufholen – andernfalls sieht sie nicht nur das Wirtschaftswachstum, sondern das gesamte Modell der EU als gefährdet an. Denn Sicherheit, Autonomie und Freiheit korrelieren eng mit der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit.

In ihrer Mitteilung „Ein Kompass für eine wettbewerbsfähige EU“ von Ende Januar 2025 hält die Kommission den Rückstand der EU schonungslos fest:

  • Die EU ist in Bezug auf fortschrittliche Technologien hinter den USA zurückgefallen.
  • China hat in vielen Sektoren stark aufgeholt.
  • Vielfach gelingt es nicht, Ideen in marktfähige Produkte zu transferieren.
  • Hohe Energiepreise und eine überbordende Bürokratie erschweren die Bedingungen.
  • Nur fünf Prozent des weltweiten Wagniskapitals werden in der EU investiert.

Die fünf Säulen des AI Continent Action Plan

Der AI Continent Action Plan zielt darauf ab, die KI-Politik der EU u.a. durch Investitionen und einen verbesserten Zugang zu Daten und Talenten zu stärken. Er basiert dabei auf fünf zentralen Säulen: Infrastruktur, Datenzugang, Algorithmen, Skills sowie Vereinfachung.

Säulen des AI Continent Action Plan

(Quelle: AI Continent Action Plan, Seite 3, COM (2025) 165 final, Brüssel, 09.04.2025)

1. Massive Investitionen in die Rechen-, Daten- und Cloudinfrastruktur der EU

Um Kapazitäten für KI-Projekte bereitzustellen, plant die EU die Rechenzentrumskapazitäten in den nächsten fünf bis sieben Jahren zu verdreifachen. Ein zentraler Pfeiler sind dabei die sogenannten AI Factories, die den Brückenschlag zwischen Forschung und Entwicklung und der Anwendung in Unternehmen erleichtern und beschleunigen sollen.

Bisher wurden von der EU 13 Standorte für AI Factories bestimmt – darunter zwei in Deutschland: die „Jupiter AI Factory“ in Jülich sowie „HammerHAI“ in Stuttgart. Sie sollen ihre Services noch 2025 zur Verfügung stellen. Weitere AI Factories entstehen u.a. in Frankreich, Österreich, Polen, Bulgarien und Slowenien. Interessant wird sein, ob nach dem Go Live der AI Factories, die Leistungen grenzüberschreitend bereitgestellt werden.

Darüber hinaus sollen über privat-öffentliche Joint Ventures mit einer Investitionssumme von 20 Milliarden Euro fünf Gigafactories aufgebaut werden, die für die Entwicklung und das Training von KI-Modellen und -Anwendungen der nächsten Generation konzipiert sind. Ziel ist, zukünftig mit den Leistungen der USA im Exaflop-Bereich (10^18 floating points operations per second) mithalten zu können. Die Notwendigkeit dieser Hochleistungsrechner ist unbestritten, aktuell haben Unternehmen in der EU de facto keine andere Wahl als auf Large-Language-Model-Umgebungen aus den USA oder aus China zurückzugreifen.

Öffentliches Beteiligungsverfahren: AI Continent – new cloud and AI development act

Um Europas Lücke bei den Cloud- und KI-Infrastrukturkapazitäten zu schließen, bringt die EU im Rahmen des AI Continent Action Plan einen neuen Rechtsakt auf den Weg. Ziel des „New Cloud and AI Development Act“ ist die deutliche Verkürzung der Genehmigungsdauer neuer Rechenzentren. Bis zum 03.07.2025 findet hierzu ein öffentliches Beteiligungsverfahren statt. Hier geht es zum Call of Evidence”.

2. Verbesserung des Zugangs zu großen und hochwertigen Datenmengen

Die zweite Säule des AI Continent Action Plan adressiert den Zugang zu Daten. Diese sind eine wesentliche Ressource für die Entwicklung leistungsstarker Large Language Models (LLM) – denn nur mit qualitativ hochwertigen und quantitativ umfangreichen Daten kann eine KI erfolgreich trainiert werden.

Um dies zu gewährleisten, sollen „Datenlabore“ (Data Labs) innerhalb der AI Factories dafür sorgen, dass große Datenmengen aus verschiedenen Quellen gesammelt, bereinigt und organisiert werden können. Begleitet werden diese Aktivitäten von der „European strategy for data“, die darauf abzielt, einen echten Binnenmarkt für Daten in Europa zu schaffen. Dies soll die Interoperabilität und Verfügbarkeit von Daten verbessern und gleichzeitig den Austausch von Daten über nationale Grenzen hinweg vereinfachen.

3. Einführung von KI in strategischen Sektoren

Im Jahr 2024 lag der operative Einsatz von KI auf Unternehmensebene gerade einmal bei knapp 14 Prozent. Diese Auswertung umfasst Unternehmen mit mindestens zehn Mitarbeitern, ausgenommen die Sektoren Agrar- und Forstwirtschaft, Bergbau sowie Finanzwirtschaft. Heruntergebrochen auf einzelne EU-Mitgliedsstaaten ergibt sich dabei das folgende Bild:

  • Luxemburg: 24 Prozent
  • Niederlande: 23 Prozent
  • Slowenien: 21 Prozent
  • Deutschland: 20 Prozent
  • Frankreich: 10 Prozent

Die Ziele der EU sind deutlich ambitionierter: Bis 2030 sollen 75 Prozent der Unternehmen in der EU die KI in ihre operativen Prozesse integriert haben. Der Einsatz im öffentlichen und privaten Sektor soll dabei durch die “Apply AI Strategy” gefördert werden. Die Europäischen Digitalen Innovationszentren (EDIH) und die AI Factories werden dabei eine zentrale Rolle spielen und bei der Integration von KI unterstützen.

4. Stärkung der Attraktivität für KI-Spezialisten

Die Europäische Kommission betrachtet die Verfügbarkeit von leistungsstarken KI-Fachkräften als wichtigen Erfolgsfaktor. Um dies zu gewährleisten, werden Investitionen in Ausbildung und Qualifizierung getätigt, beispielsweise durch die Gründung der „AI Skills Academy“. Eine positive Standortpolitik soll Impulse setzen, um KI-Talente in der EU zu halten bzw. zur Rückkehr zu bewegen. Darüber hinaus sollen gezielt Fachkräfte von außerhalb der EU gewonnen werden, insbesondere in den Bereichen Forschung und Entwicklung.

5. Vereinfachter regulatorischer Rahmen

Die letzte Säule des AI Continent Action Plan zielt darauf ab, Unternehmen bei der Umsetzung des AI Act zu unterstützen. Zu diesem Zweck wird ein „AI Act Service Desk“ eingerichtet, der Unternehmen dabei hilft, die regulatorischen Anforderungen zu verstehen und einzuhalten.

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AI made in Europe – Deutschland müsste seine Innovationskraft stärken

Der AI Continent Action Plan dokumentiert das Bemühen der EU, den Rückstand zu Wettbewerbern wie den USA und China aufzuholen. Dafür ist sie bereit, erhebliche Investitionssummen in die Hand zu nehmen. Die Frage ist, ob sich die ambitionierten Pläne mit dieser Strategie in die Wirklichkeit umsetzen lassen. Ich sage „Nein“. Die Investitionen der EU in europäische Hochleistungsrechenzentren sind zwar richtig, aber trotzdem nicht ausreichend, um die Lücke zu den führenden Nationen zu schließen. Denn der damit verbundene administrative und regulatorische Überbau wird in Deutschland keine vergleichbare Investitionswirkung ermöglichen. Überbordende Regularien wie der AI Act bremsen die Dynamik und Innovationskraft nachhaltig aus.

Mit Blick auf das Thema KI überwiegt nach wie vor die Furcht vor den Risiken. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, müsste Deutschland eine agilere Innovationspolitik verfolgen, die Risiken zwar nicht ausblendet, aber mehr Spielraum für innovative Unternehmen bietet. Zwar ist die Forschung von strengen Regulierungen ausgenommen – allerdings kommen aus den europäischen Großforschungseinrichtungen nur wenige KI-Innovationen. Diese entstehen in „Garagen“. Ziel müsste es also sein, eine offene Crowd-Intelligenz zu aktivieren. Nur so könnte Deutschland seine Innovationskraft im globalen Vergleich stärken.

Eine größere Wirkung wird sich demnach dort entfalten, wo private Unternehmen mit privatem Kapital in relevanter Größenordnung investieren. Dieser Paukenschlag ist in Deutschland – anders als in Frankreich – bisher ausgeblieben. Auf dem AI Action Summit in Paris kündigte der französische Staatspräsident Anfang Februar 2025 Investitionen von 109 Milliarden Euro in die KI-Infrastruktur an. Untermauert wird diese Ankündigung durch die Investitionszusagen europäischer und nicht-europäischer Investoren. Alleine aus Nordamerika liegen demnach Zusagen von über 30 Milliarden Euro vor – die vorwiegend in französische Rechenzentren fließen sollen.

Warum das private Kapital massiv in Frankreich und nicht in Deutschland investiert wird, werde ich in den nächsten Wochen herausarbeiten. An dieser Stelle sei festgehalten, dass Frankreich – sowohl im europäischen als auch im weltweiten Kontext – mit Nachdruck eine führende KI-Rolle anstrebt und Deutschland damit gegenwärtig erkennbar abhängt.

KI made by PASS

Als Anbieter von hochverfügbaren Rechenzentren werden wir als Unternehmen für uns selbst wie auch für unsere Kunden KI-Plattformen in unserer eigenen Rechenzentrumsinfrastruktur anbieten, um – unabhängig von staatlichen Stellen – eine innovative Lösung anzubieten. Parallel dazu fließt die KI immer stärker in unsere Produkte ein. Beispiele sind unsere Logistiklösungen, die Bewertung von Dokumenten oder die Recherche von Datenbeständen. Darüber hinaus bauen wir aktuell ein KI-Kompetenzzentrum an unserem Standort in Tunis auf.
Tipp!

Bildquellen: Shutterstock, European Commission

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