Blockchain: Herausforderung oder Chance für die öffentliche Verwaltung?

Vertrauen ist die Basis für den öffentlichen Sektor. Die Blockchain könnte das Vertrauen digitalisieren – oder die Verwaltung (teilweise) obsolet machen.

Die Blockchain-Technologie bewegt sich gemäß des aktuellen Gartner Hype Cycles for Emerging Technologies unaufhaltsam weg vom „Gipfel der überzogenen Erwartungen“ hinein in das „Tal der Enttäuschungen“. Grund genug, um die Herausforderungen und Chancen der Blockchain für die öffentliche Verwaltung zu diskutieren, bevor – falls überhaupt – das „Plateau der Produktivität“ erreicht wird.

Das Blockchain-Prinzip

In vielerlei Hinsicht geht die Blockchain neue Wege, indem insbesondere die folgenden Prinzipien angewandt werden:

  • Verteilte Datenbank: Jedes Mitglied einer Blockchain hat Zugriff auf die gesamte Datenbank, ohne dass eine Partei die alleinige Kontrolle ausüben würde.
  • Verifizierung durch ein Mehr-Augen-Prinzip: Jede Transaktion wird durch mehrere Beteiligte unabhängig voneinander autorisiert.
  • Smart Contracts: Da es sich um ein digitales Register handelt, können Blockchain-Transaktionen mit einer Rechenlogik verknüpft werden, um so automatisiert ausgeführt zu werden.
  • Vertraulichkeit: Der Einsatz kryptografischer Werkzeuge garantiert die Trennung der Transaktion von persönlichen Daten.

Die konsequente Anwendung dieser Prinzipien im Kontext der öffentlichen Verwaltung könnte umwälzende Folgen haben.

Verwaltung ade?

Verwaltungshandeln schafft Vertrauen, da der Staat als unbeteiligte dritte Instanz Prozesse und Transaktionen auf der Basis vereinbarter Regeln sicherstellt. Bestes Beispiel hierfür sind die öffentlichen Register und Grundbücher, die z.B. den Besitz von Waffen oder Grundstücken abbilden. Die Verwaltung garantiert dabei die Echtheit von Dokumenten oder die Identität der Prozessbeteiligten. An dieser Stelle kommt die Blockchain-Technologie ins Spiel, indem genau diese Funktion der neutralen dritten Instanz mit Hilfe einer unveränderbaren und nachvollziehbaren Speicherung und Verkettung von Transaktionen in chronologischer Reihenfolge wahrgenommen wird. Der Staat wird in diesem Szenario obsolet, weil der Wertetransfer durch die Blockchain über ein dezentrales Netzwerk ohne Vermittler abgebildet wird. Betroffen sind all jene Stellen, die Informationen archivieren, verifizieren, authentifizieren, lizenzieren, patentieren und zur Verfügung stellen. Da dies im Kern die Aufgabe fast jeder staatlichen Institution ist, hat die Blockchain-Technologie das Potenzial, die Verwaltung, wie wir sie derzeit noch kennen, grundlegend zu transformieren.

Die Chancen der Blockchain in der öffentlichen Verwaltung

Auch wenn die Funktion des Intermediärs durch die Blockchain in Frage gestellt werden könnte, bietet die Technologie nichtsdestotrotz eine ganze Reihe von interessanten Möglichkeiten für die öffentliche Verwaltung.

Ein naheliegendes Einsatzgebiet ist das staatliche Archiv- und Registerwesen (insbesondere für abgeschlossene Transaktionen, da für künftige Transaktionen dieses Aufgabengebiet durch den Einsatz der Blockchain-Technologie wie beschrieben hinfällig werden könnte). Bis dato werden staatliche Register nämlich zentral geführt. Dies bedeutet, dass sie anfällig für Manipulationsangriffe sind und im schlimmsten Fall für einen längeren Zeitraum nicht zu erreichen wären. Dieses Risiko würde wegfallen, wenn mit Hilfe der Blockchain staatliche Register künftig dezentral verwaltet würden. Zudem würden die Dokumente fälschungssicher und unverändert (originär) in der Blockchain gespeichert werden.

Weiterhin könnte die Technologie genutzt werden, um einen großen Hemmschuh für das E-Government in Deutschland zu überwinden, nämlich die Schriftformerfordernis. Aktuell kommen für die medienbruchfreie Abwicklung von Anträgen zum Teil sehr komplizierte Verfahren zum Einsatz (z.B. um den Antragsteller eindeutig zu identifizieren), die in der Regel eine zusätzliche Hardwarekomponente in Form eines Lesegerätes bedingen. Die Blockchain-Technologie könnte dazu genutzt werden, einen Hashwert im Sinne eines eindeutigen Fingerabdrucks für ein Dokument in der Blockchain sicher zu hinterlegen. Das Dokument selbst kann dann über klassische Kanäle weitergegeben werden. In diesem Szenario würde die Technologie einen gewichtigen Beitrag zur Digitalisierung des Verwaltungshandelns leisten.

Schließlich wäre künftig ein Blockchain-Verwaltungsnetz, an dem sich alle Ebenen (Bund, Land und Kommunen) beteiligen, ein interessantes Anwendungsfeld. Gerade der dezentrale Ansatz der Blockchain käme den föderalen Strukturen in Deutschland zupass und könnte den Datenaustausch zwischen Bundesländern sowie über unterschiedliche Verwaltungseinheiten hinweg nahtloser gestalten – ein weiterer Beitrag zu einem echten E-Government. In diesem Zusammenhang gilt es aber zu bedenken, dass ein Blockchain-Verwaltungsnetz nur funktionieren kann, wenn möglichst viele Teilnehmer daran partizipieren. Gerade beim Aufbau des Netzes könnte es für den Fall, dass ein einzelner Teilnehmer 51 Prozent der für eine Transaktion notwendigen Rechenleistung auf sich vereinigen könnte, zu Manipulationen kommen. Dies bedingt im Umkehrschluss eine professionelle Vorbereitung des Netzes – ggf. sogar als europäische Anstrengung.

Sowohl als auch

Die Eingangs formulierte Frage, ob die Blockchain Herausforderung oder Chance für die öffentliche Verwaltung ist, kann somit nur mit einem klaren „sowohl als auch“ beantwortet werden. Dabei sollten die politischen Verantwortlichen dafür Sorge tragen, dass die Chancen auch wirklich genutzt werden: Eine reine Beobachterrolle und das bloße Abwarten auf die Herausbildung von Standards durch die Bemühungen der Industrie werden nicht ausreichen. Hierfür sind die Anforderungen der öffentlichen Verwaltung im Vergleich zur Wirtschaft zu unterschiedlich. Aus diesem Grund sollten bereits jetzt Mittel investiert werden, um Anwendungsszenarien zu entwickeln und in Pilotprojekten deren Praxistauglichkeit zu eruieren. Nur so kann der öffentliche Sektor das „Plateau der Produktivität“ erreichen.

Bildquelle: Shutterstock

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