Der ehemalige Profifußballer Kevin Wittke ist Leiter der Business Units (BUs) Sports und Smart Enterprise bei PASS. Gemeinsam mit seinem Team realisiert er Digitalisierungsprojekte in Vereinen und Sportverbänden. Die BU gilt als eine der jüngeren bei PASS und ist so immer wieder Anknüpfungspunkt für neue Technologien im Umfeld von Sport & Events.
Im Interview sprechen wir mit Kevin Wittke über den Digitalisierungsstand von Vereinen in Deutschland, das Viktoria+ Bonusprogramm und das Thema Online-Ticketing.
Hallo Kevin, vor fünf Jahren hat meine Kollegin Maria bereits ein Interview mit Dir geführt. Viel ist seitdem passiert und die Business Unit Sports der PASS Consulting Group arbeitet an einigen spannenden Themen. Nimm uns einmal mit: Was hat sich seitdem getan?
Kevin Wittke: Neben der Weiterentwicklung unseres Shopsystems, vor allem im Ticketing-Bereich, haben wir einige interessante Vorhaben mit tollen Partnern realisiert. Manche laufen noch oder mündeten in weiteren spannenden Folgeprojekten. Aktuelle Projekte laufen zum Beispiel mit dem Deutschen Turnerbund (DTB) und der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga (HBL), mit denen wir in den Bereichen Administration sowie Gamification aktiv sind. Hier werden wir in diesem Jahr mit beiden Partnern tolle Mehrwerte generieren können. Da wir uns, neben der Weiterentwicklung unserer Produkte, auch im Bereich Sportsconsulting aufstellen, sind wir ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, um Sportvereinen in den verschiedensten Bereichen besser werden zu lassen. Besonders stolz sind wir, dass ein von PASS entwickelter Data-Hub bei den Olympischen Spielen in Tokyo 2021 für die Badminton World Federation (BWF) im Einsatz war. Der Hub hat die Daten des Olympic Data Feed (ODF) für die verschiedenen Kanäle des BWF aufbereitet und live vom Court bereitgestellt.
Mit unserem langjährigen regionalen Partner Viktoria Aschaffenburg verwirklichen wir weiterhin tolle Produktideen und sammeln Erfahrungen in ganz unterschiedlichen Bereichen. Ein Fokus liegt weiterhin darauf, mit Digitalisierung und Innovationen wirtschaftliche Mehrwerte zu generieren, wie z.B. unser voll automatisches Spendentool. Außerdem haben wir gemeinsam mit Viktoria im letzten Jahr das Pilotprodukt des israelischen Start-ups i-brain getestet, welches verspricht, die Spieler in verschiedenen Parametern, wie Pass- oder Schussgenauigkeit um 30 Prozent besser zu machen. Wie das geht? Indem sie fußballspezifische Bewegungsabläufe am Notebook trainieren. Für mich als ehemaligen Profifußballer ist das hochspannend.
Du sprichst es schon an, ein Highlight ist momentan das PASS Engagement für das sogenannte „i-brain“-Projekt im Sport, in Kooperation mit dem Fußball-Regionalligisten Viktoria Aschaffenburg. Welche Vorteile kann Dein Unternehmenszweig daraus ziehen?
Kevin Wittke: Das Interessante bei i-brain ist, dass ein Bereich des Körpers trainiert wird, der auch auf der Hochleistungsebene häufig immer noch zu kurz kommt. Nämlich der Kopf. Genau genommen die Fähigkeit des Gehirns, Bewegungsabläufe für einen Sportler zu präzisieren und so seine Technik und dann im Gesamten eben auch seine Leistung zu stabilisieren. Das funktioniert so: Der Spieler trainiert fußballspezifische Bewegungsabläufe vor dem Bildschirm. Dabei werden seine Hirntätigkeiten mittels Sensoren aufgenommen und ausgewertet. So kann der Spieler dann mit seinem Avatar verschiedene Spielszenen nachempfinden und steuert nur mittels Neurosignalen seine Pässe, Flanken oder Schüsse. Unsere Spieler haben sich schon während der ersten Testmonate weiterentwickelt und es war ein Unterschied zu den Spielern ohne i-brain-Training erkennbar. Das ist schon beeindruckend.
Mit der Viktoria Aschaffenburg gibt es auch weitere interessante Anknüpfungspunkte. Ein Produkt, welches PASS momentan in Aschaffenburg testet, ist die Corporate App – beim SVA als Viktoria+ Bonusprogramm implementiert. Kannst Du erklären, worum es sich dabei genau handelt?
Kevin Wittke: Beim Bonusprogramm geht es darum Mehrwerte für den Einzelhandel, Unternehmen und auch für Vereine (nicht nur Sportvereine) gleichermaßen zu generieren. Das funktioniert, indem der Nutzer des Programms, i.d.R. Mitglieder eines Vereins oder Beschäftigte eines Unternehmens, Rabatte im Aschaffenburger Einzelhandel erhalten und dies in einer App festhalten. So wird dem Einzelhandel Kaufkraft hinzugefügt und gleichzeitig die Möglichkeit geboten, den Endverbraucher direkt anzusprechen. Vereine profitieren einerseits davon, ihren Mitgliedern tolle Rabatte geben zu können und andererseits an jedem Rabattbetrag, der in der App erfasst wird, zu partizipieren. Unternehmen kann dieses Programm dabei helfen, ihren Beschäftigten Vorteile zu bieten die sie anderswo nicht erhalten würden. Das bietet spezielle Anreize für neue Mitarbeiter und schafft eine Bindung zum Unternehmen.
In diese Kerbe schlägt auch die PASS Corporate App, in der das Bonusprogramm enthalten sein wird. Die App ist gerade am Entstehen und wird weitere Features bereitstellen die dem Zeitalter des work-life-balancierten Arbeitens gerecht werden. So sollen mit der App in Zukunft u.a. Events organisiert sowie Arbeitszeiterfassungen und Anträge gemanagt werden können. Auch kann durch verschiedene Kommunikationselemente die Informationstransparenz innerhalb des Unternehmens gefördert werden.
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2017 hattet ihr im Interview auch über den Digitalisierungsgrad von Sportvereinen in Deutschland gesprochen, gerade mit Blick auf die oberen Ligen scheint sich dort in den letzten Jahren viel getan zu haben. Wie hast Du die Entwicklung beobachtet?
Kevin Wittke: Corona als Treiber der Digitalisierung hat schon viele Augen geöffnet. Es wurden Strukturen und Stellen in Vereinen geschaffen, um dem Digitalisierungszeitalter gerecht zu werden, vorhandene Potenziale freizulegen, neue Märkte zu entdecken oder die Weiterbildung des eigenen Personals auf ein höheres Niveau zu hieven. Auch das Thema Gamification platziert sich in den verschiedensten Ausprägungen immer mehr.
Es gibt teils wirklich interessante Ansätze, wie zum Beispiel neue digitale Strukturen zu nutzen, um für Fans und Mitglieder zusätzliche Mehrwerte zu kreieren oder wie schon genannt, Spieler nicht nur auf der physischen Ebene besser machen zu wollen.
Im Bereich E-Sports, haben mittlerweile ganz viele Vereine ihre eigenen Abteilungen oder Mannschaften und versuchen den E-Sports-Markt für sich zu gewinnen. Dies wird auch für Sponsoren und Partner immer interessanter.
In den unteren Ligen versuchen Vereine weiter, mit wenigen bis keinen Mitteln dem Digitalisierungsdruck standzuhalten und kostengünstige Lösungen zu integrieren. Im Bereich E-Commerce und Ticketing ist man meiner Meinung nach auf einem guten Weg. Online-Tickets sind mittlerweile nicht mehr wegzudenken.
Das Thema „Online-Ticketing“ steht dabei ganz besonders im Fokus. Heute kommt kaum noch ein Verein oder Event-Veranstalter daran vorbei, seine Tickets auch online anzubieten. Wie ist die Akzeptanz dafür momentan bei den Fans?
Kevin Wittke: Es lässt sich im Moment tatsächlich hier und da bei Fans und Mitgliedern eine gewisse Skepsis gegenüber der Digitalisierung erkennen. Dies ist allerdings kein ausschließliches Phänomen der Sportvereine, sondern macht sich auch in der Eventbranche punktuell bemerkbar.
Ich denke, hier spielen ganz unterschiedliche Gründe eine Rolle. Die einen finden alles zu kompliziert, andere wollen ihre Daten nicht preisgeben und eher mal wieder anonym auf Veranstaltungen gehen. Die Coronajahre, in denen jeder einzelne Besucher von Veranstaltungen und/oder Restaurants zig Daten hinterlegen und sich am besten noch in verschiedene Systeme einwählen musste, haben wir langsam hinter uns gelassen. Die Menschen wollen ihre „Freiheiten“ zurück und dazu gehört vielleicht auch, mal weniger persönliche Daten preiszugeben. Das ist aber nur eine Annahme.
Aus der eigenen Erfahrung kann ich nur sagen, dass viele Vereine gegen den Mitgliederschwund kämpfen. Junge Menschen lassen sich nicht mehr so leicht für ein Engagement im Ehrenamt begeistern. Das ist eine Herausforderung, die sehr viele Vereine in Deutschland betrifft. Dazu gibt es in den verschiedenen Sportarten schon Fördermaßnahmen und Aktivitäten, um ein gewisses Vereinssterben in Deutschland aufzuhalten. An diesem Punkt kommt die Digitalisierung ins Spiel: Je weniger Ehrenamtliche in einem Verein freiwillig helfen können, desto wichtiger ist es, Lösungen zu haben, welche diese Ressourcenknappheit ausgleichen. So ist es dann zum Beispiel nicht verwunderlich, dass manche Vereine oder Veranstalter nur noch Online-Ticketing anbieten. Nicht weil sie eine Tageskasse nicht wollen, sondern weil sie eine Besetzung der Kassen nicht regelmäßig gewährleisten können. Das ist aber nur ein Beispiel. Es gibt beliebige Vorteile für Vereine, welche nicht sofort ersichtlich sind, für ein konstruktives und erfolgreiches Vereinsleben allerdings unumgänglich sind.
Würdest Du es als wichtig betrachten, dass gerade kleinere Vereine jetzt den Schritt wagen und sich für die Zukunft nachhaltig digital aufstellen?
Kevin Wittke: Unbedingt! Viele scheuen sich vor dem Aufwand oder den Kosten dahinter. Dabei muss die Digitalisierung nicht teuer sein. Wir wollen genau diesen Vereinen ebenso Möglichkeiten geben und versuchen, mit unseren Produkten wie Spendentool, Event-Ticketing-System, Corporate App oder unserem CRM, Mehrwerte für Vereine zu generieren. Und das ohne großartiges Investment! Wir partizipieren erst, wenn auch Vereine von unseren Produkten profitieren. Digitalisierung sollte für alle zugänglich sein. Vor allem auch für die, die es am meisten benötigen.
Nichtsdestotrotz bleiben digitale Projekte in Vereinen weiterhin eine Herausforderung. Kannst Du hier Hürden aufzeigen und erzählen wie ihr als PASS Business Unit Sports damit umgeht?
Kevin Wittke: Hürden sind meines Erachtens:
- Kaum vorhandene unternehmerische und professionelle Strukturen.
- Fehlende Zeit, um Produkte und Neuerungen zu platzieren.
- Fehlende Manpower, auch bedingt durch immer weniger Ehrenamt-Inhaber.
- Reduzierte Bereitschaft für Neues, denn Neuerungen bedürfen die Ablegung alter Gewohnheiten.
- Fehlende Zentralisierung, denn in großen Vereinen arbeiten Bereiche teils autark und investieren in verschiedene Lösungen, welche im Endeffekt eine große inkonsistente/ heterogene Systemlandschaft entstehen lassen.
Da meine Kollegen und ich selbst fast alle in Vereinen tätig sind und/oder waren, ist uns dies von Anfang an bewusst gewesen. Deshalb bauen wir neben unserer Produkt- auch eine Consulting-Landschaft auf, um genau solche Herausforderungen meistern zu können. Wir wollen Vereinen die Bedenken nehmen und Handlungsempfehlungen aussprechen, welche an den jeweiligen Situationen angepasst sind.
Gerade das digitale Darstellen von Events nach außen durch Livestreaming hat während der Corona-Pandemie einen riesigen Schub erhalten. Wird sich diese Entwicklung, also dass Vereine selbst zum Broadcaster werden, Deiner Meinung nach weiter fortsetzen?
Kevin Wittke: Das könnte tatsächlich so sein, wobei zumindest im Fußball die zentrale Vermarktung durch die Verbände oft noch die Oberhand hält. Das könnte eventuell irgendwann aufgebrochen werden. Die eigenen Inhalte, inklusive des Hauptproduktes – der Live-Spiele – zu vermarkten wäre bestimmt für viele Vereine lukrativ. Wenn man Strukturen schaffen kann und sich dem Thema intensiv widmet, können da sicherlich tolle Ergebnisse geliefert werden.
Die große Frage ist dann aber auch: Kommt das bei dem allgemeinen Sportfan gut an, wenn ich mich für jedes Live-Event auf einer anderen Plattform anmelden muss? Nehmen wir die Fußball-Bundesliga. Mittlerweile benötigt der Fußballfan Accounts bei DAZN, Amazon und Sky, um alle Spiele der Bundesliga und Champions League zu schauen.
Wie sehen die weiteren Planungen für das Produktportfolio der Business Unit Smart Enterprise und Deiner BU Sports aus? Kannst Du da einen Einblick geben?
Kevin Wittke: Neben den schon genannten Produkten werden wir weiter mit unserem Partner Ticketspot an unserer Ticketplattform arbeiten und hier die Bedürfnisse der Veranstalter und Künstler in den Vordergrund stellen. In diesem Atemzug schaffen wir auch weitere Values für unsere Partner im Sport- und Vereinsbereich, indem wir weiter mit Hochdruck an neuen Versionen unserer Scanner App, einer umfangreichen Dauerkartenverwaltung oder neuen Kassenfunktionalitäten arbeiten.
Ebenso werden wir in diesem Jahr zusammen mit unseren langjährigen Partnern Timo Boll und Andreas Ball an einem Konzept für eine neue Version ihres TBW-Portals arbeiten.
Vielen Dank für das Gespräch!