Neuroathletik bei Viktoria Aschaffenburg – mit i-Brain

Die Regionalligamannschaft des Fußballvereins SV Viktoria Aschaffenburg bindet Neuroathletik in ihr Training ein. Wir gewähren Einblicke zu i-Brain.

Besondere Trainingsmethoden beim Fußball-Regionalligisten Viktoria Aschaffenburg: Die Unterfranken nutzen seit einiger Zeit neuronales Feedback für die Leistungssteigerung ihrer Fußballer und verbesserten sich damit auch auf dem Feld. Dafür wird die Software des israelischen Start-ups i-BrainTech genutzt. Dessen Neurofeedback-Technologie nutzt Künstliche Intelligenz (KI), um die mentale Seite der Sportmedizin zu optimieren und neuroathletische Trainingsmethoden zu ermöglichen. 

Das für den SV Viktoria Aschaffenburg neuartige Projekt wird vom Viktoria-Partner PASS Consulting Group gefördert, der auch den Kontakt zu i-BrainTech herstellte. Kevin Wittke, Head of Business Unit Sports bei PASS, implementierte die Neuroathletik zusammen mit Projektleiter und Profifußballer Max Grün als Trainingsmethode im Verein.

Nach der ersten Pilotphase zeigt sich Max Grün hochzufrieden mit den Ergebnissen aus der neuartigen Trainingsmethode für den Aschaffenburger Fußballsport. Im Gespräch mit Kevin Wittke gibt er einen Einblick in das spannende Projekt aus dem Spektrum rund um die Künstliche Intelligenz im Sport: 

Hallo Max, als PASS der Viktoria den Kontakt zum Start-up i-BrainTech vermittelt hat, hast du da zum ersten Mal von den Trainingsmethoden der Neuroathletik gehört?

Max Grün: Für mich war es das erste Mal in dieser Form. Klar ist mir neuroathletisches Training aus meiner persönlichen Erfahrung im Profisport bekannt, aber eben nicht als eine solch hervorragende Softwarelösung.

Neurozentriertes Training wie beispielsweise „Life Kinetik“ gibt es bereits eine ganze Weile. Wo liegt der Unterschied zum neuroathletischen Ansatz von i-BrainTech, wie er bei der Viktoria zum Einsatz kommt? 

Max Grün: Bei der Verwendung der i-Brain Software wird nicht nur das Gehirn aktiviert oder stimuliert wie beim „herkömmlichen Neurotraining“, sondern wir können hier viel mehr fußballspezifische Abläufe im Gehirn trainieren, verfestigen und verbessern. Aufgrund der gesammelten Daten im Training machen wir hier die Entwicklung sichtbar und können den Spieler immer wieder neu und weiter verbessern. Das ist wirklich herausragend. Nach dem Start mit einer kurzen Kalibrierung des Gehirns (dies ist notwendig, da man jeden Tag eine andere Tagesform hat), starten die Jungs schon mit ihren ca. 40-60 Aktionen pro Trainingseinheit. Ganz individuell auf die Spieler ausgerichtet. Nach dem Training sehen wir anhand von messbaren Daten sofort, wie produktiv und effektiv das Training in den verschiedenen Bereichen gewesen ist. Langfristig sehen wir an den Trainingssessions ganz detailliert, wann das Gehirn am produktivsten ist und können so exakt bestimmen, wann der Schwierigkeitsgrad erhöht werden kann, um bestmögliche Performance zu ermöglichen.

Schnell hast du ein Projektteam für Neuroathletik bei der Viktoria auf die Beine gestellt. Was war dabei eure Herangehensweise?

Max Grün: Wir haben engen und professionellen Kontakt zum Team von i-BrainTech gehabt und haben viel gelernt. Dazu sind wir mit dem Training zügig gestartet und haben dann viele Erfahrungen sowohl im Training am Laptop als auch bei den Kontrolltests auf dem Platz gemacht. Wir haben versucht, in unserem Besprechungsraum eine gute Atmosphäre im Loungestil zu gestalten, um den Spielern die bestmögliche Umgebung fürs Training zu bieten. Die Spieler haben gelernt, sich in den ca. 20 Minuten intensiv zu fokussieren und Bewegungsabläufe im Gehirn zu verfestigen. Die Jungs konnten dann auch parallel zueinander trainieren und wir hatten den schönen Nebeneffekt, dass ein kleiner „Konkurrenzkampf“ entstanden ist und das Leistungsniveau sich deutlich verbessert hat.

Wie stark hat Neuroathletik schon einen Einzug in den Profisport gefunden und wie knüpft i-BrainTech daran an? 

Max Grün: Eine mehr oder weniger ähnliche Lösung nutzt der FC Liverpool. Ansonsten hält das neuroathletische Training im Profisport immer mehr Einzug, aber es gibt noch ein großes Potenzial, welches hier nicht abgerufen wird. Zukünftig, so gehe ich davon aus, werden diese Trainingsmethoden aber immer wichtiger werden, um wirklich jedes Puzzleteil im Profisport zur Verbesserung der Leistung zu nutzen. Ein einfaches Beispiel ist hierbei die monatelange Ausfallzeit von Profisportlern bei Verletzungen. Hier kann der Sportler keine Bewegungsabläufe auf dem Platz durchführen. Die i-Brain Software ermöglicht aber genau das und zwar schon ab dem ersten Tag der Reha. Mental im Kopf lässt sich so auf datenbasierten Fakten trainieren, sodass eben die Bewegungsabläufe gefestigt bleiben und man später schneller auf dem Platz wieder Fortschritte macht.

Du bist selbst Torhüter, hast vor deiner Zeit bei Viktoria auch schon für Darmstadt, Wolfsburg und Borussia Mönchengladbach gespielt. Hättest du dir als junger aufstrebender Fußballer solche zukunftsträchtigen Trainingsmethoden aus der Neuroathletik gewünscht, um dich weiter zu verbessern?

Max Grün: Ja, auf jeden Fall! Insbesondere in meinen Zeiten, in denen ich lange verletzt war. Das hätte mir endlose Sitzungen mit Sportpsychologen erspart, in denen die fußballerischen Bewegungsmuster über die Zeit der Reha erhalten werden soll. Zusätzlich ist der zeitliche Aufwand wirklich gering, um sich mithilfe der Software erfolgreich zu verbessern. 

Neben dem Elfmeterschießen lassen sich mit i-Brain auch Freistöße üben. Welche neuronalen Trainingsformen werden noch abgebildet?

Max Grün: Es sind fast alle Anforderungen auf jeder Position mittlerweile abbildbar. Ganz unterschiedlich und auf die jeweilige Position beziehungsweise die Stärken und Schwächen des Spielers individuell angepasst. Es gibt bereits jetzt Ecken, kurze Pässe, lange Pässe, Torabschlüsse in jeder Form, Flanken und vieles mehr. Wir können zum Beispiel Torschüsse ob direkt oder mit zwei Kontakten aus jeglicher Position im 16er oder auch außerhalb abbilden. Die Ecken können z.B. auf den kurzen Pfosten oder zweiten Pfosten gezogen werden. Auch die beliebte Variante, den Eckball an den 16er für eine Direktabnahme zu chippen, ist möglich. Standards können direkt oder mit kurviger Flugbahn geschossen werden. Für die Torhüter und Abwehrspieler sind alle Pässe – ob kurz oder lang – die für den Spielaufbau notwendig sind, vorhanden.

Wie kommt das neuroathletische Training bei den Spielern an? Es ist am Ende doch etwas anderes als wirklich gegen den Ball zu treten, oder?

Max Grün: Sehr positiv. Alle Spieler wollten damit weitermachen und auch jetzt in dieser Saison sind alle mit Freude und Ehrgeiz dabei. Bei einigen Spielern war es von Anfang an sehr leicht und sie kamen super zurecht, ein paar mussten sich erst darauf einstellen, haben dies dann aber mit viel Fleiß und Hingabe sehr gut umgesetzt. Klar ersetzt es kein Training auf dem Platz zu 100 Prozent, aber alles, was wir neben dem Platz im Kopf verfestigen und verbessern, können wir schließlich auf dem Platz unter Druck viel besser und mit einer höheren Prozentquote abrufen.

Max Grün bei einer Präsentation der Software von i-BrainTech

Nimm uns mal mit: Wie sieht so eine typische Neuroathletik-Trainingseinheit aus? Was muss eingerichtet werden? Wie wird kalibriert? Wie lange sollte maximal am Stück mit dem Tool trainiert werden?

Max Grün: Vor jedem Training setzen wir eine Cap auf, mit welcher unsere Gehirnströme gemessen werden, diese wird dann mit dem Laptop und der Trainingssoftware verbunden. Vor dem eigentlichen Neuroathletik-Training findet eine kurze Kalibrierung statt, hier wird der Zustand des Gehirns festgestellt – man fühlt sich jeden Tag natürlich persönlich etwas anders. Danach startet schon das Training, welches zwischen 40 und 60 einzelne Aktionen beinhaltet, die individuell auf den jeweiligen Spieler ausgerichtet sind.

Es gibt verschiedene Schwierigkeitsgrade von 1 (leicht) bis 5 (sehr schwer). Der Spieler steuert mit seinen Gedanken einen Avatar in der Software. Die einzelnen Drills (z.B. Pass, Schuss, Flanke) haben zwei wichtige Parameter: Zum einen die Genauigkeit und zum anderen die Power, die in die jeweilige Aktion gegeben werden muss. Der Spieler fokussiert z.B. bei einem Elfmeter die vorgegebene Zielzone und stellt sich dann den Bewegungsablauf genau im Kopf vor. Er versucht zu spüren, wie er den Ball trifft, wie sein Bein durchschwingt und wie die Muskeln angespannt werden. Dies passiert alles nur in seinem Kopf. Mit der zu erreichenden Power versucht er dann den Ball mental in die vorgegebene Zielzone zu schießen.

Für jeden dieser Abläufe hat er sieben Sekunden Zeit. Wenn der Spieler beide Komponenten gut umsetzt, geht der Elfmeter ins Tor und genau in die Zielzone. Wir versuchen am Ende der Trainingseinheit bei einer Erfolgsquote von 40 bis 60 Prozent zu landen, denn dann trainieren wir im richtigen Schwierigkeitsgrad und fordern das Gehirn maximal. Ist die Erfolgsquote über 60 Prozent, war das Training zu leicht und ist sie unter 40 Prozent, war das Training zu schwer und wir passen die Schwierigkeitsgrade in der neuen Trainingssession an. Dauer des Trainings mit Vorbereitung sind ca. 20 Minuten und wir führen diese Einheiten etwa zwei Mal wöchentlich durch.

Zwischen Januar 2022 und April 2022 haben mehrere Spieler der 1. Mannschaft mit i-Brain trainiert. Konntet ihr Erfolge feststellen?

Max Grün: Wir haben vor und nach dem Start des Trainings mit i-Brain verschiedene Test mit einer Gruppe auf dem Platz durchgeführt und haben diese auch mit einer Testgruppe, die ohne die Software trainiert, wiederholt. Die Ergebnisse waren im Schnitt um 30 Prozent besser als bei der Gruppe, die nicht mit i-Brain trainiert hat.

Was haben die teilnehmenden Spieler berichtet? Haben diese nach den neuroathletischen Trainingseinheiten wirklich eine Verbesserung ihrer Leistung festgestellt?

Max Grün: Im Fußball kommt es neben den messbaren Werten auch auf das Gefühl des Spielers an. Sowohl die Werte als auch das Feedback waren sehr positiv und wir haben viele Beispiele von Spielern, bei den auf dem Platz nach dem Training mit i-Brain alles viel besser zusammenpasst jetzt. Bei jedem einzelnen Spieler sind individuelle Verbesserungen bei den Tests auf dem Platz sichtbar, zudem fühlen sich alle mit dem zusätzlichen Training sehr wohl, was ja gerade im Leistungssport auch ein wichtiger Aspekt ist, um maximale Leistung zu erreichen.

Virtuelles Training mit der i-Brain Software

Die PASS Consulting Group ist Vertriebspartner des israelischen Start-ups i-BrainTech in der DACH-Region. Gemeinsam wollen die beiden Unternehmen die neuronale Trainingssoftware i-Brain einem breiten Markt zugänglich machen und dabei nicht nur Profimannschaften, sondern auch kleinere Vereine an dieser spannenden Entwicklung partizipieren lassen. Im deutschen Leistungssport wurde das Produkt bereits beim SV Viktoria Aschaffenburg in der Regionalliga Bayern erprobt. Falls auch Sie Interesse an i-Brain haben, dann kontaktieren Sie uns gerne.
Tipp!

Und wie performen die momentan teilnehmenden Spieler nach dem Neuroathletik-Training in der Regionalliga?

Max Grün: Bei der Viktoria sind die sechs Spieler, die mit i-Brain trainieren, im Moment an 33 Prozent der Tore in der Regionalligasaison 2023/24 beteiligt und haben dabei entweder selbst Tore erzielt oder die Vorlage dazu gegeben. Dazu müssen wir bedenken, dass einer der Spieler in der Hinrunde fast komplett verletzt ausgefallen ist. Wenn man dann noch sieht, dass ein Spieler in der zurückliegenden Saison in der U19-Bundesliga kaum gespielt hat und bei uns jetzt eine wichtige Rolle einnimmt, ist das schon sehr zufriedenstellend. Auch zwei weitere junge Spieler haben sich immer mehr etabliert und bringen stabile bis sehr positive Leistungen. Ein weiterer Offensivakteur der Viktoria hat jetzt schon die gleichen Werte (Tore/Vorlagen) wie am Ende der letzten Saison.

Wie aufwändig ist das System für Vereine? Wie hoch wäre der finanzielle Invest?

Max Grün: Um mit dem System zu trainieren, braucht es nur einen Laptop, Strom und WLAN. Dann kann es bereits losgehen. So lässt sich egal bei welchem Wetter indoor trainieren. Man sollte aber schon eine ruhige Umgebung dafür einrichten. i-Brain befindet sich momentan noch in der Erprobungsphase und wir sind froh, dass wir als Viktoria das System dank PASS ausprobieren dürfen. Ein Preismodell dürfte sicher bald für den deutschen Markt vorgestellt werden.

Können mehrere Spieler dasselbe System von i-Brain nutzen? Kann die Hardware einfach weitergereicht werden?

Max Grün: Ja, das ist möglich und ist eines der besonderen Features bei i-Brain, denn wir sind völlig flexibel und nicht an einen fixen Standort gebunden. Nötig sind nur ein Laptop mit der Software und einer Anschlussstelle für das Device sowie Cap und natürlich WLAN. Auch können mit einem System und einer Cap verschiedene Spieler nacheinander trainieren. Hat man natürlich mehr Systeme wie wir bei der Viktoria, dann können Spieler zusätzlich gleichzeitig trainieren. Zudem hat das System i-Brain den Vorteil, dass Spieler dies auch daheim oder wo auch immer jederzeit ausführen können.

Glaubst du die Trainingsmethoden der Neuroathletik werden sich im Fußballsport durchsetzen? 

Max Grün: Ja, sie sind schon auf dem Vormarsch und werden in Zukunft noch mehr Präsenz und ihre ganz besondere Bedeutung haben. Das gilt für das Modell, welches i-Brain bereitstellt, aber auch für alle anderen digitalen und virtuellen Trainingsmethoden.

Abschließend noch: Wie zufrieden seid ihr bei der Viktoria mit der Lösung von i-Brain und wie soll es in der Zukunft weitergehen?

Max Grün: Wir sind nach unserer ersten Testphase 2022, die drei Monate gedauert hat und dem momentan laufenden Einsatz in der Regionalligasaison 2023/24 sehr zufrieden mit diesem Produkt. Gemeinsam mit PASS sind wir hier in der Lage, eine hochinteressante Technologie von i-BrainTech zu nutzen und werden auch in der Zukunft darauf bauen.

Danke für das Gespräch!

Über Max Grün

Max Grün ist ehemaliger Bundesligatorhüter, der in seiner Karriere unter anderem für Borussia Mönchengladbach, Darmstadt 98 und den VfL Wolfsburg zwischen den Pfosten stand. Zurzeit ist er mit dem SV Viktoria Aschaffenburg in der Regionalliga Bayern aktiv und verantwortet für den Verein auch das Projekt rund um die Software i-Brain – also die neuronalen Trainingseinheiten mit der Software eines israelischen Start-ups – in Zusammenarbeit mit der PASS Consulting Group. Sein Diplom im Bereich Sportmarketing hat er 2013 per Fernstudium am IST-Studieninstitut parallel zum Profifußball abgeschlossen.

Titelbild: Shutterstock

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