E-Cohesion in Deutschland – sind wir schon da?

Im Zuge der E-Cohesion sollen zentrale Verwaltungssysteme etabliert werden. Inwiefern fügen sich derartige Systeme in das Konzept E-Government zur Digitalisierung ein?

Im ersten Teil meiner Blogserie zum Thema E-Government habe ich die diesbezüglichen Empfehlungen der EFI-Kommission und des Normenkontrollrates vorgestellt und beleuchtet, worin deren spezifische Herausforderungen bestehen. Diese Woche möchte ich etwas genauer auf den Bereich der E-Cohesion eingehen. Dabei ist besonders interessant, dass die zentralen Empfehlungen der beiden Berichte – eine hohe Verbindlichkeit, intensive Zusammenarbeit sowie starke zentrale Akteure – dort bereits zu Beginn des Definitions- und Entwicklungsprozesses durchaus erfüllt waren.

E-Cohesion in Deutschland

Weitgehend am Auge der Öffentlichkeit vorbei wird die Entwicklung digitaler Verwaltungssysteme in Deutschland bereits seit Jahren stark forciert. Im Zuge der E-Cohesion setzt die Verwaltung der EU-Strukturfonds verpflichtend die Einrichtung leistungsfähiger digitaler Verwaltungssysteme voraus. Dabei steht der Begriff E-Cohesion für ein medienbruchfreies System, das einheitlichen europäischen Standards entspricht und insbesondere in der Lage sein muss, Daten in das Brüsseler EU-KOM-System SFC2014 (System for Fund Management in the European Union) einzuspeisen. Als Meilenstein zur Systementwicklung kommunizierte die EU-KOM früh den 31. Dezember 2014 an ihre Mitgliedsstaaten – bis dahin sollten die Systeme produktiv laufen.

Die Vor- und Rahmenbedingungen für die E-Cohesion lassen sich in die im ersten Teil dieser Artikelserie vorgestellten Handlungsempfehlungen des EFI-Berichtes sowie des Normenkontrollrates einordnen:

1. Verbindlichkeit

In einem Verhandlungsverfahren werden Verordnungen entwickelt, die als gesetzesmäßige, verpflichtende Vorgaben in der späteren Entwicklung der Systeme zu berücksichtigen sind. Die Anforderungen an die Datenverarbeitungssysteme werden als Teil eines Gesamtpakets verhandelt.

2. Organisation

An dem Verhandlungsverfahren sind alle wesentlichen Akteure zumindest mittelbar beteiligt. Die wichtigsten Rollen spielen dabei die EU-KOM als zentrale Instanz, der Europäische Rat als Vertretungsgremium der Mitgliedsstaaten (insbesondere der späteren Umsetzer der Fondinterventionen) sowie das Europäische Parlament mit einem entsprechend breiten Vertretungsauftrag.

3. Leistungsfähigkeit & Finanzierung

Die EU beteiligt sich zu 50 Prozent an der Finanzierung der Systeme, die andere Hälfte muss durch die Mitgliedsstaaten erbracht werden. Als zentrale Vorgaben hinsichtlich der Leistung des Systems sind zum einen die zu behandelnden Inhalte sowie die Kommunikationsfähigkeit mit dem zentralen System SFC2014 zu erachten. Zum anderen bestehen Vorgaben hinsichtlich Datensicherheit, Nutzerkreis, Nutzeridentifizierung und -handling bzw. Datensparsamkeit („Only-once-encoding-principle“).

Eine ernüchternde Bilanz

Die Gesamtschau auf die Lösungen in Deutschland fällt zu Beginn des Jahres 2016 allerdings ernüchternd aus: Es existieren mehrere Systeme, die von den unterschiedlichsten Institutionen betrieben werden – Insellösungen! Einige Detailfragen wurden über zusätzliche Verordnungen nachgeliefert, andere sind bis heute nicht geklärt, teilweise existieren auch nur Leitlinien. Die Kommunikation mit SFC2014 ist nur eingeschränkt möglich, Schnittstellenbeschreibungen und Konzepten fehlt die nötige Reife.

E-Government vs. E-Cohesion

Im Abgleich mit den Zielsetzungen gestaltet sich der Status quo in Sachen E-Government und E-Cohesion ähnlich (schlecht). Allerdings bereichert die Sicht auf die Resultate der E-Cohesion die Diskussion um den Ausbau eines deutschlandweiten E-Governments um einige Facetten. Als Ursachen für deren nicht zufriedenstellendes Ergebnis können nämlich genannt werden:

  • Unsichere Rahmenbedingungen: E-Cohesion ist nur ein Teil eines deutlich größeren Ganzen, der EU-Strukturfondsförderung. Im Verlauf der Verhandlungen erschien sie häufig als nachrangig, wurde aber von den Ergebnissen der Verhandlungen über andere Themen (bspw. der Ausgestaltung von Zahlungsflüssen oder Prüfpfaden) massiv beeinflusst.
  • Die beeindruckende Zahl der an den Verhandlungen über die europäischen Verordnungen beteiligten Akteure: Fast selbstverständlich kam es zu unterschiedlichen Interpretationen der Zuständigkeiten, oft in Kombination mit divergierenden Rechtsauslegungen.
  • Unklare Anforderungen: Im Verlauf der Verhandlungen wurden die E-Cohesion-Systeme mit Anforderungen überfrachtet, teilweise tauchten auch Anforderungen auf, die später wieder zurückgenommen wurden. Einige zentrale Vorgaben (digitale Signatur, „Only-once-encoding“, Kommunikationsfähigkeit der Systeme) wurden indes schon früh aufgeweicht.

Die Erfahrungen mit der E-Cohesion zeigen insgesamt eines: Die formal richtigen und notwendigen Empfehlungen für die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung müssen um die Frage nach ihrer konkreten Umsetzung erweitert werden. Es gilt, sich pragmatischen Vorgehensweisen und praktikablen Lösungen zu nähern.

Im nächsten Teil meiner Artikelserie werde ich darlegen, welche Herausforderungen in Hinblick auf E-Government und E-Cohesion in Deutschland derzeit noch bestehen und einen Ausblick in die Zukunft wagen.


Bildquelle: Shutterstock

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