Designprinzipien und Methoden des Produktmanagements in der öffentlichen Verwaltung

Bei Design und Entwicklung von Software wird die Welle an Begrifflichkeiten immer größer. Was ist im Einzelnen gemeint? Und sind die Konzepte auf die öffentliche Verwaltung übertragbar?

Heute beschäftige ich mich mit den Designprinzipien. Dabei sollte klar werden, dass das Design der Bildschirmmaske eines Software-Produkts oft zu kurz greift (UI-Design). Umfassendere Ansätze erreichen vielschichtige Ziele. Im zweiten Teil stelle ich dann konkrete Herangehensweisen und Methoden vor, die im Produktmanagement mit der Zeit immer gebräuchlicher werden.

Worin bestehen die Unterschiede zwischen User-Interface (UI), Usability, User-Experience (UX) und Customer Experience (CX)?

In einem Satz: Usability, UX und CX sind Teilmengen. Die Gestaltung des User-Interfaces (UI-Design) umfasst alle Aspekte der grafischen Abbildung von Objekten auf dem Bildschirm: Farbe und Formen, Layouts sowie Typographie. UI-Design wird häufig Grafikern übertragen, die visuelle Layouts entwerfen. Responsives Design ist mittlerweile weit verbreitet. Das Layout der Objekte des Software-Produkts wird in Abhängigkeit von der Bildschirmgröße so verändert, dass es sowohl auf dem Laptop, dem Tablet als auch dem Handy betrachtet und dabei komfortabel genutzt werden kann.

„Nutzung“ wird in der Usability adressiert. Usability steht stellvertretend für Gebrauchstauglichkeit oder Nutzerfreundlichkeit des Produktes. Das Konzept unterstellt, dass mit der Nutzung der Software klare Ziele verfolgt und diese z. B. „effektiv“ oder „zufriedenstellend“ erreicht werden können. Eine gute Usability bedeutet allerdings nicht, dass das Programm auch eine bemerkenswerte User Experience bietet. Usability ist vielmehr einer von mehreren Aspekten des Nutzererlebnisses.

UX-Design berücksichtigt nicht nur die Erfahrung während der Verwendung des Produkts sondern auch vor und nach der Nutzung. Der Begriff User Experience beschreibt Reaktionen von Nutzern auf

  • die Usability,
  • die Informationsarchitektur,
  • das Interaktionsdesign (Design des Dialogs zwischen Mensch und Maschine über eine gewisse Zeit) und
  • das (statische) UI-Design.

Entsprechend dürfte gutes UX-Design an vielen Stellen schwieriger und aufwändiger sein als die Herstellung von Usability.

Die Customer Experience schließlich geht weit über Usability und UX hinaus. CX betrachtet alle Objekte im Umfeld eines Software-Produkts. Bspw. alle digitalen und physischen Leistungen im Umfeld des Produkts und der gesamten „Customer Journey“ (dazu mehr in Teil II). CX wird beeinflusst von der Werbewirkung des gesamten Marketingmixes, Online- und Offline-Suchprozessen, Gestaltung aller Anlaufstellen, der Lieferung des Produkts, dem technischen und fachlichen Support sowie der Markenwahrnehmung. Wer ein konkretes Beispiel benötigt, denke an dieser Stelle an den Tech-Riesen Apple.

Barrierefreiheit und universelles Design

Der Punkt der Barrierefreiheit ist für Software-Produkte selbstverständlich. Neben der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) sollte die harmonisierte Norm EN 301 549 „Accessibility requirements for ICT products and services“ bekannt sein. Einen umfassenden Ansatz verfolgt das Forschungsinstitut Technologie und Behinderung (FTB). Das dort entwickelte „universelle Design“ folgt sieben Prinzipien. Neben breiter, flexibler, einfacher und intuitiver Benutzbarkeit treten die Prinzipien der „sensorisch wahrnehmbaren Informationen“, Fehlertoleranz, „niedriger körperlicher Aufwand“ und „Größe und Platz für Zugang und Benutzung“. Universelles Design und Design-Prinzipien sollten übereinander gelegt und so Barrierefreiheit integraler Bestandteil der Produktentwicklung und ‑gestaltung werden.

Design-Prinzipien in der öffentlichen Verwaltung

Nun da die Begrifflichkeiten klarer sind, bleiben zwei Fragen: Wie gehen Sie vor? Und wann fangen Sie an? Beide Fragen haben einfache Antworten: Beziehen Sie die Nutzer Ihrer Software-Produkte in deren Entwicklung und Weiterentwicklung ein. Und zwar ab jetzt. Sie werden Ihre Digitalisierungsprozesse nicht überfrachten, denn Design und Digitalisierung sind zwei Seiten derselben Medaille. Die folgende Abbildung ermöglicht eine weitere Einordnung:

 

Oft legen die zu erwartenden Nutzer des Produkts und der geplante Funktionsumfang nämlich eher ein „inkrementelles Management“ als Leitbild für Design und Entwicklung nahe. Bekannte Nutzer, die bekannte Funktionen bedienen, sollten nicht mit radikalen Designänderungen konfrontiert werden, sondern eher Schritt für Schritt damit bekannt gemacht werden. Inwieweit man sich dann in eine evolutionäre Richtung „Adaption“ oder „Extension“ bewegen möchte, hängt vom Nutzerfeedback, der konkreten Spezifikation der Funktionen und selbstverständlich den Anforderungen ab. Eine „revolutionäre Neukreation“ als Leitbild für den Designprozess dürfte vor allem in Bereichen gültig sein, die noch gar nicht Gegenstand von Digitalisierungsbemühungen waren.

Für Sie vor Ort gilt es, die eigene graue Schraffur in die Abbildung zu legen. So lässt sich das Leitbild für den Designprozess abschätzen.

Fazit

Die vorgestellten Designprinzipen folgen der gleichen Grundidee: Der Nutzer steht im Zentrum. Nur wenn ein Software-Produkt Probleme lösen kann, wird es akzeptiert werden. Und die Frage, ob es Probleme löst, sollte denen gestellt werden, die eben jene lösen müssen: Den Nutzern des Programms. Doch warum sollte das auch für Produkte der öffentlichen Hand nachvollzogen werden? Folgende Fragestellung könnte das verdeutlichen: Mit wem stehen ihre IT-Anwendungen in Konkurrenz um Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, Bedienbarkeit und Nutzererfahrung? Im Zweifel sind das die bekannten Größen der digitalen Märkte. GUI und UX eines Smartphones bspw. bestimmen immer mehr, wie wir alle an die Bedienung eines Produktes herangehen.

Hier gibt es zwei relevante Player. Microsoft Windows hat über Jahrzehnte diese definitorische Rolle für den Umgang mit Rechnern inne. Die unmittelbaren Konsequenzen daraus sind, dass die Nutzer mit dem bei privaten Anbietern erlernten Nutzungserwartungen auf die Produkte der öffentlichen Verwaltung zugehen und dann leider oft enttäuscht werden. Resultat sind fehlerhafte Angaben, aufwändige Rückfragen per E-Mail oder Telefon, hohe Lernkurven für die eigenen Teams und im schlimmsten Fall die Nicht-Nutzung des Angebots. Erfahrungen, die auch in der Fördermittelvergabe aktiv angegangen werden sollten. Die hier vorgestellten Prinzipien können dafür handlungsleitend sein.

Welche Methoden aktuell in diesem Kontext viel diskutiert werden, stelle ich dann im zweiten Teil dieses Beitrages vor.


Bilder: Shutterstock / Grafik des Autors

Schreibe einen Kommentar

Ähnliche Artikel