IT-Modernisierung zwischen Notwendigkeit und Skepsis

Never change a running system? Die alte IT-Landschaft funktioniert (noch) – warum also etwas ändern? Die Skepsis ist teilweise groß. Ein Blick auf die zentralen Hürden der IT-Modernisierung.

Bereits Anfang 2015 habe ich mich ausführlich mit der Modernisierung von IT-Landschaften und der häufig damit verbundenen Ablösung von Legacy-Systemen auseinandergesetzt. Damals bin ich zu dem Schluss gekommen, dass der IT-Modernisierungsprozess trotz neuer Technologien und automatisierter Migrationsverfahren noch lange nicht abgeschlossen ist. Und das, obwohl die Digitalisierung den Druck immer weiter erhöht.

Neben den Faktoren Kosten, Zeit und Ressourcen(mangel) spielen hier auch psychologische Komponenten eine Rolle: Beispielsweise machen sich die IT-Verantwortlichen in den Unternehmen große Sorgen darüber, dass die Qualität ihrer Anwendungslandschaften unter möglicherweise vorschnell getroffenen Entscheidungen und dem Wechsel hin zu aktuelleren Technologien leiden könnte. Gleichzeitig herrscht vielerorts noch immer die Angst, ein nicht kalkulierbares Risiko einzugehen und damit persönlich Kopf und Kragen zu riskieren. Legacy-Anwendungen sind historisch gewachsene Anwendungen, die sehr individuell auf die Anforderungen der Unternehmung zugeschnitten sind. Nicht selten bilden solche Anwendungen unternehmenskritische Prozesse ab und diese möchte man eben ungern gefährden.

Fragen über Fragen

An dieser Situation hat sich bis heute nicht viel geändert. Zwar ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer umfangreichen Modernisierungsstrategie bei vielen Unternehmen vorhanden (siehe Digitalisierungsaspekt), aber es überwiegen nach wie vor die skeptischen Fragen. In meiner Projektpraxis begegnen sie mir regelmäßig:

Strategische Fragen:

  • Steht der Aufwand der Modernisierung in einem vernünftigen Verhältnis zum Wertbeitrag im Unternehmen?
  • Auch während der Modernisierung müssen die Legacy-Anwendungen häufig weiterentwickelt werden. Wie kann dies parallel zur Modernisierung gewährleistet werden?
  • Sollte die Einführung in einem Big Bang erfolgen oder kann die Modernisierung auch so gestaltet werden, dass einzelne Module zeitlich flexibel produktiv gesetzt werden?
  • Ist ein Parallelbetrieb zwischen der Bestands- und der modernisierten Anwendung möglich und was sind die Voraussetzungen hierfür?
  • Wo wird sich die Qualität der Neuanwendung verbessern oder gegebenenfalls verschlechtern?

Operative Fragen:

  • Wie manage ich den Cut-Over-Prozess – also den Wechsel von der alten auf die neue Applikation?
    • Gibt es eine Testumgebung sowie Testverfahren für die Altanwendung?
    • Gibt es qualifizierte Mitarbeiter, die die Applikation manuell testen könnten? Oder gibt es gar eine Testautomation?
    • Müssen die Applikationen parallel produktiv laufen, damit sich die Anwendung asymptotisch an die Funktionalitäten der Altanwendung annähern kann?
  • Welche Schritte und Quality Gates sind erforderlich, um die Modernisierung erfolgreich durchzuführen?
  • Wie viel Zeit bedarf das Modernisierungsprojekt für die teilnehmenden IT- und Fachmitarbeiter?
  • Wie kann der Transferprozess der Mitarbeiter in die neue Welt organisiert werden?

Die Alternative ist, abgehängt zu werden

Die Liste könnte endlos fortgesetzt werden. Und das meine ich im positiven Sinne. Zeigt es doch, dass sich IT-Verantwortliche intensiv mit dem Thema der IT-Modernisierung auseinandersetzen. Alle diese Fragen zu beantworten, würde hier und jetzt allerdings den Rahmen sprengen. Zumal jedes Modernisierungsszenario individueller Antworten bedarf.

Fakt ist: Altsysteme werden mit steigender Lebensdauer und zunehmendem Modernisierungsdruck immer mehr zu einer Belastung – selbst wenn sie eigentlich noch ohne Probleme funktionieren. Die Augen zu verschließen hilft also wenig. Es gilt, mit einem entschlossenen und zugleich sicheren Handeln die Vorteile der Modernisierung für sein Unternehmen zu erschließen. Die Frage nach dem Wie habe ich mit meinem Beitrag 4 Wege der IT-Modernisierung bereits angeschnitten. Das nächste Mal werde ich in dieses Thema nochmals tiefer einsteigen und Ihnen eine Hilfestellung auf dem Weg zum richtigen Modernisierungsansatz geben. Dann heißt es: Migration, Neuentwicklung, Standardsoftware, Ousourcing – oder vielleicht doch ein Mix aus allen Optionen?


Bildquelle: Shutterstock

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

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    Marlies Tusch

    Ich kann mich Ihrer Meinung nur anschließen! Die Digitalisierung schreitet mit einem Tempo voran, das die industrielle Revolution in den Schatten stellt und es sind nahezu alle Lebensbereiche davon betroffen. Wer auf diesen Zug nicht aufspringt wird früher oder später mit den Konsequenzen rechnen müssen. Das „alte“ System bremst ja nicht nur die Digitalisierung, sondern auch alle weiteren Prozessinnovationen, die mit dem System in Verbindung stehen.

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