EU-Fördermittelmanagement: Kiss K.I.S.S. goodbye?

Bereits im Frühjahr 2018 legte die Europäische Kommission die Legislativ-Vorschläge für die Interventionen der Förderperiode 2021 bis 2027 (FP2127) vor. Zeit, sich die Entwürfe anzuschauen.

Dabei finden sich durchaus Hinweise auf Anforderungen an das zukünftige EU-Fördermittelmanagement. Und vielleicht schon die Antwort auf die Frage, ob wir dem Prinzip „Keep it simple, stupid“ (K.I.S.S.) in der EU-Förderung endgültig den Abschiedskuss geben müssen.

Seit Ende Mai/Anfang Juni 2018 liegen Verordnungsentwürfe für fast 30 EU-Ausgabenprogramme vor. Die Verordnungsentwürfe für die Fonds mit nationaler Beteiligung stellen den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) klar neben den Kohäsionsfonds. Sie machen den Europäischen Sozialfonds (ESF) zum ESF+, indem der EHAP, der EU-Gesundheitsfonds und der EaSI unter seine Fittiche schlüpfen. Die EU-Agrarpolitik steht weiterhin auf zwei Säulen. Die Direktzahlungen (1. Säule) und die Strukturmittel für ländliche Entwicklung (ELER; 2. Säule) sollen aber noch stärker in die Hände der Nationalstaaten gelegt werden. Diese sollen beide Säulen auch nach den eigenen Bedürfnissen gewichten.

Kühe auf dem Champs-Élysées?

Die Vorschläge zum mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) sehen teils erhebliche finanzielle Kürzungen vor: Strukturfondsförderung minus fünf, Agrarpolitik minus sieben Prozent – EU-27-weit. Die ersten Bilder von Kühen auf dem Champs-Élysées machen sich in meinem Kopf breit. Abwarten, denn es grüßt ja schon das Murmeltier: Die Kommission verspricht mit ihren Entwürfen Reformen, Modernisierung und „Vereinfachung der Förderung“. Es wird damit wieder eine der vielleicht wirksamsten Vereinfachungen einfach liegengelassen: Nämlich die Regelwerke nicht zu ändern. Die Learnings aus den tiefgreifenden Reformen vor erst wenigen Jahren werden so nur schwer nachhaltig werden. Nichtstun ist eben keine politische Option.

Dies betrifft natürlich auch die IT-Systeme. Entsprechende Anforderungen finden sich in einem der vielen Anhänge der Entwürfe; doch viel schlauer wird man damit nicht. Denn auf wirklich konkrete Ausführungen wird wieder bis zur Veröffentlichung der Durchführungsverordnungen und der dann folgenden Leitlinien der EU-KOM gewartet werden müssen.

Keine “Killer”-Anforderungen

Positiv lässt sich aber festhalten: Völlig neue Anforderungen, die zudem erst sehr spät ausreichend genau spezifiziert werden können, sind aktuell nicht in Sicht. Solche „Killer“-Anforderungen waren bspw. die Einführung des EU-Geschäftsjahres und der jährlichen Rechnungslegung (JRL) in der Förderperiode 2014 bis 2020. Der Wegfall der Designierung der Behörden ist zudem zu begrüßen. So werden auch für die Weiterentwicklung der IT-Systeme Ressourcen frei. Schaut man weiter auf der nationalen Seite der Umsetzung, zeigen die Finanzierungsverfahren nicht unerhebliches Potenzial zur Vereinfachung:

  • Noch extensivere Nutzung von Pauschalierung (Stichwort: Lump-sums)
  • Änderungen in den zuwendungsrechtlichen Verfahren
  • Ausbau von Finanzierungsformen wie Darlehen, Bürgschaften usw. versprechen nicht nur eine Hebelwirkung (leverage)

IT-seitig sind diese Dinge bereits heute angelegt. Insgesamt erscheint damit eine Verschlankung der Gesamt-IT-Lösung das Gebot der Stunde. Nicht zuletzt stehen weniger Mittel zur Verfügung – auch in der technischen Hilfe. Fondsübergreifende Lösungen, wo möglich und sinnvoll, erscheinen so sicherlich attraktiver. “One Single System” kann dabei zumindest konzeptionell große Hilfe leisten, die richtigen IT-Module zu entwickeln; mit den benötigten Schnittstellen. Denn individuelle Lösungen werden nach wie vor benötigt: Die technischen und fachlichen Anforderungen an die Umsetzung der EU-Fonds in Deutschland bleiben mit die höchsten im gesamten Förderportfolio.

One Single System als mögliche Reaktion

Echte Überraschungen halten die EU-Verordnungsentwürfe zum jetzigen Zeitpunkt nicht bereit. Ob die versprochenen Vereinfachungen wirksam werden, lässt sich ebenfalls noch nicht abschätzen. Unabhängig davon aber gilt für die zukünftigen Fördermittel-Management-Systeme: Bewährtes verbessern, nicht Benötigtes abschalten. One Single System für alle EU-Fonds könnte eine mögliche Reaktion auf die stark sinkenden Gesamtmittel sein – zumindest als konzeptioneller Rahmen. In den Systemen gilt es, die nationalen Regelungen in Augenschein zu nehmen. Bei der geteilten Mittelverwaltung (EFRE, ESF+, ELER, EMFF usw.) und der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik) werden die nationalen Regeln hohes Gewicht haben. Hier gilt es anzusetzen mit dem ein oder anderen K.I.S.S.!


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